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XXXVIII ZUR VOLKSKUNDE. Mohammedaner.Zunahme der Zahl der Mohammedaner, die seitdem zu beobachten
ist und die das Anwachsen der übrigen Bevölkerung Indiens in den
letzten Jahrzehnten um das Vierfache übersteigt, ist aber zum
geringsten Teil auf Übertritte zum Islam zurückzuführen, in der
Hauptsache vielmehr eine Folge der kräftigeren natürlichen Fort-
pflanzung
. Die mohammedanischen Mädchen werden in reiferem
Alter verheiratet als die der Hindus und sind deshalb gesünder
und fruchtbarer. Außerdem fehlen bei den Mohammedanern die
mancherlei Ehehindernisse, die den Hindus so oft die Verheiratung
ihrer Töchter unmöglich machen, namentlich das Verbot der Wieder-
verheiratung
der Witwen. Auch der größere Wohlstand, der im
allgemeinen bei den Mohammedanern herrscht, und ihre bessere
Lebenshaltung sind gewiß nicht zu unterschätzen. Als Fleischesser
sind die indischen Mohammedaner durchschnittlich kräftiger als
die Hindus; sie sind ihnen auch an Energie, Tüchtigkeit und persön-
lichem
Mut weit überlegen. Da sie zudem durch das Gefühl der
Zusammengehörigkeit verbunden sind, stellen sie eine viel größere
Macht dar als die an Zahl mehr als dreimal so starken Hindus,
deren Sympathien nicht über die Kaste oder den Stamm hinaus-
reichen
(vgl. S. XLIV/XLV) trotz der nationalistischen Bewegung,
die jetzt durch die höher gebildeten Kreise von ganz Indien geht.
Wenn heute dem Lande das unwahrscheinliche Unheil begegnete,
daß die segensreiche und gerechte englische Herrschaft ihr Ende er-
reichte
, so würde morgen die mohammedanische Willkürherrschaft
über die Hindus wieder hergestellt sein.

Die Hindus machen mehr als zwei Drittel der Gesamt-
bevölkerung
aus. Mit den höheren Klassen wird der Reisende nur
ausnahmsweise in Verkehr kommen; an den niederen Schichten,
mit denen ihn die Bedürfnisse der Reise in Berührung bringen,
müssen ihm als unerfreuliche Charakterzüge Mangel an Wahrhaftig-
keit
, Unzuverlässigkeit und Geldgier auffallen. Auch Eitelkeit und
Undankbarkeit sind echt indische Eigenschaften. Diesen Fehlern
des Hindu stehen jedoch achtungswerte Züge gegenüber: große Ge-
nügsamkeit
in den Bedürfnissen des täglichen Lebens, ausgeprägter
Familiensinn, geduldiges Ertragen des Unglücks und bei den besseren
Klassen der gleichmäßige Ernst des Wesens, der selbst durch die über-
raschendsten
Vorgänge nicht gestört wird. Wer sich mit der indischen
Altertumskunde im weiteren Sinne des Worts beschäftigt, dem tritt
ein wunderbares Gemisch sich widersprechender Züge an dem Bilde
des merkwürdigen Volkes entgegen. Neben tiefer Religiosität und
vollkommenster Gottergebenheit steht eine Freiheit und Kühnheit
der Spekulation, die vor keiner, auch nicht vor der negativsten
Folgerung zurückschreckt; neben dem asketischen Dulderleben,
dem um des Seelenheils willen keine Entsagung zu groß und keine
Selbstpeinigung zu hart ist, steht unersättliche Gier nach den Ge-
nüssen
der Welt und eine abgrundtiefe Sinnlichkeit; neben dem